"Hero I" interviewt Jacqueline Ditt & Mario Strack |
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München 12. 2. 2000
H1: Frau Ditt, wann haben sie sich entschlossen, Malerin zu werden ? JD: Eigentlich schon während meiner Ausbildung zur Grafikerin Anfang der 80er. Erst habe ich mich intensiv mit dem handwerklichen Kunstdruck beschäftigt. Die damaligen Druckgrafiken sind zunächst sehr abstrakt und flächig ausgefallen, entwickelten sich aber immer mehr zum malerischen hin. Bis ich Schluss endlich direkt zum Pinsel griff und auf Papier und Karton malte. Dann entdeckte ich 1990 das Grasgewebe, ein in Asien gefertigtes Naturmaterial, das ist zur Zeit mein favorisierter Malgrund. H1: Und wie sind Sie zur Kunst gekommen, Herr Strack ? MS: Wenn man sich als Junge interessant machen will, hat man die Wahl, entweder man hat ein Moped, oder man spielt in der Schülerband. Ich hatte mich damals für Letzteres entschieden. Ich verliess dann ziemlich früh die Schule und wurde Rockmusiker, der Groove hatte mich einfach gepackt und irgenwie ist das bis heute so geblieben. H1: Rockmusik und Malerei auch im nächsten Jahrhundert, ist das nicht ein wenig altmodisch ? JD: Ich denke nicht, dass ich die Malerei vor dem Aussterben retten muss, sie wird immer essentiell bleiben, da können meine Kollegen soviel Sperrmüll aufstapeln wie sie wollen. MS: Das trifft natürlich auch auf Songs zu, ich glaube nicht das man Musik neu erfinden muss oder kann. H1: Als Rockmusiker verstehen Sie sich dann wohl als Traditionalist? Die Jugend ist aktuell ja mehr in Richtung Techno orientiert. MS: Rockmusik, und das trifft übrigens auch auf die expressionistische Malerei zu, ist keine Modeerscheinung. In beiden Fällen geht es um den Ausdruck authentischer Emotion und die ist immer aktuell. Das hat nichts mit Tradition oder gar mit Brauchtumspflege zu tun, die mir im übrigen eher suspekt ist. Ich glaube, das ist was für Leute die Angst davor haben, in Zukunft öfter mal umdenken zu müssen. H1: Frau Ditt, Sie bezeichnen ihre Stilrichtung als Neuen Expressionismus, wie unterscheidet sich dieser vom Expressionismus der klassischen Moderne ? JD: Das ist folgendermassen, jedes Jahrzehnt unseres Lebens wird beeinflusst durch das Handeln und Denken der jeweiligen Gesellschaft. Dies spiegelt sich auch in der Kunst wider. Der Expressionismus kann daher immer wieder neu sein, wenn er den Zeitgeist beziehungsweise das Lebensgefühl der jeweiligen Epoche transportiert. H1: Manche Motive wirken aber eher klassisch. JD: Ja, das ist möglich denn häufig gibt es emotionale Deckungsgleichheiten, da wir Menschen uns auf einer Zeitschiene bewegen auf der die immer gleichen Daten fliessen. Nur durch das persönliche herausfiltern dieser Gedanken und die ständig neue Zusammenstellung können wir eine Veränderung erzielen. Wenn ich zum Beispiel zwei Liebende darstelle kommt einem das natürlich bekannt vor andere Bilder dagegen behandeln Themen die es früher gar nicht gegeben hat. H1: Welcher Unterschied besteht zum Neoexpressionismus ? JD: Das kann ich Ihnen erklären, da der Neoexpressionismus auf den deutschen Expressionismus zurückgeführt wird halte ich es nicht für adequat meinen Stil so zu bezeichnen. Schliesslich kann man den seelischen Ausdruck nicht im völkischen festmachen. (Anmerkung: Seit 2005 bezeichnet sie ihren Stil als INTRO EXPRESSIONISMUS.) H1: Herr Strack, wenn man sich in ihrem Studio so umsieht, findet man Unmengen von Geräten. Welche Rolle spielt die Technik in ihrer Arbeit ? MS: Was die Unmenge angeht, ich glaube dass das alles in absehbarer Zeit durch ein einziges Notebook ersetzt werden kann. Die Technik an sich ist eigentlich nur ein Werkzeug, ziemlich neutral, es kommt viel mehr darauf an, was man mit ihr umsetzt. Natürlich geht von der Technik auch eine gewisse Faszination aus. Der Synthesizer zum Beispiel hat mich sofort begeistert, ein umfassendes tonales und klangliches Spektrum zur Verfügung zu haben ist für einen Komponisten eigentlich traumhaft, wenn das auch heute alles Standard ist. Und dann ist da natürlich der Computer, das Universalwerkzeug schlechthin, und mittlerweile das Zentrum jeder multimedialen Produktion. H1: Sie machen, neben der Produktion ihrer Musik, auch die visuelle Umsetzung selbst. Das war nicht immer so. Wie entwickelten sie sich vom Musiker zum Multimedia-Künstler ? MS: Nun, der Musikclip lag Anfang der ´80er natürlich schwer im Trend. Ich kaufte damals meinen ersten Computer, eigentlich nur zur Steuerung von Soundequipment. Dabei habe ich entdeckt , das man mit dem Rechner auf einfache und direkte Weise Bilder auf den TV-Schirm bekommen konnte, so ganz ohne Schauspieler, Inszenierung oder Beleuchtung. Das war der Einstieg in die Computeranimation. Später kam dann doch noch die Kamera dazu, und heute benutze ich meistens eine Art Mischtechnik aus Computergraphik, Videographie oder traditionelle "stop motion"-Technik, was mich so inspiriert. Tatsächlich mache ich eigentlich nie zweimal das Gleiche. Ich würde übrigens nicht von einer visuellen Umsetzung der Musik sprechen, eher von einer Erweiterung der Komposition in den visuellen Bereich. Einfach zusätzliche Linien auf einer anderen Ebene. H1: Sind Sie jetzt eher Musiker, oder mehr Filmemacher ? MS: Eigentlich bin ich in erster Linie Komponist und als solcher kann man mit allem und jedem arbeiten, also meinetwegen auch bunte Kieselsteine arrangieren. Aber das Lied ist natürlich das Mastermedium. Hier werden Melodie, Harmonie und Rhythmus mit Lyric und Phonetik gepaart. Wenn man dann noch Bilder dazu komponiert, hat man eine Art universelles Gesamtkunstwerk. H1: Haben Sie beide bestimmte Vorbilder ? MS: Im Grunde sind alle Autoren, die ihre Werke selbst interpretieren und auch produzieren vorbildlich. Bei den Videoclips ist das schon schwieriger, was da normalerweise so gemacht wird, Künstler in irgend einer tollen Location tut so als ob er den Song interpretiert, das ist doch ziemlich uniform. Da haben mich schon eher die Arbeiten der Pioniere aus den Anfängen der Filmgeschichte beeindruckt. JD: In meinen Bildern verbinde ich Zeitgefühl mit meiner persönlichen expressiven Gestaltungskraft und erhalte dann als Bild eine Zeitkonserve. Dies haben alle expressiven Maler vor mir auch schon getan, insofern kann man nicht von Vorbildern sprechen sondern eher von ähnlicher Herangehensweise. H1: Wie wählen Sie die Themen für ihre Arbeit aus ? JD: Sehr spontan, es sind mehr oder weniger Geistesblitze die sich dann während des Arbeitsprozesses deutlicher ausformen. Erst im nachhinein stelle ich oft fest, dass es sich um Dinge oder Gefühle handelt die mich schon längere Zeit beschäftigen. H1: Viele ihrer Bildtitel sind humorvoll. Hat das einen bestimmten Grund ? JD: Ja ich versuche immmer wieder das Leben nicht zu ernst zu nehmen, denn ohne Humor wäre die Menschheit längst ausgestorben. Man muss auch mal über sich selbst lachen können. Die Titel meiner Bilder sind oft amüsant sie sollen den aufmerksamen Betrachter mehr über den tiefgründigen Inhalt meiner Werke informieren, so zu sagen einen Hinweis geben. Vielleicht kann er dann sogar etwas über sich selbst erfahren. H1: Haben Sie einen bestimmten Themenkreis den sie immer wieder aufgreifen ? JD: Nein ich möchte mich thematisch nicht limitieren. Auch formal können die Werke voneinander abweichen. Ich begreife meinen Stil mehr essentiell, das heisst ich habe meinen persönlichen Strich, meine eigene Formensprache, die sich auch immer weiterentwickelt und meine persönliche Kompositionstechnik, sozusagen eine künstlerische DNS. Mit diesen drei Komponenten lässt sich nahezu alles darstellen, natürlich auf meine spezielle Weise. H1: Wie sind Sie darauf gekommen, ihre Werke in einer eigenen Galerie zu präsentieren, beziehungsweise in einer eigenen Edition zu veröffentlichen ? MS: Was die Edition angeht ist es einfach wunderbar, sich nicht mit Schallplattenfirmen oder Verlagen auseinandersetzen zu müssen. Man kann selbst bestimmen was und wann es veröffentlicht wird, und niemand versucht einen in eine bestimmte Richtung zu lenken. Schon der Gedanke, dass sich irgendwer aus dem Management ins Songwriting einklinkt, ist für mich völlig indiskutabel. JD: Meiner Meinung nach ist es eine gute Sache, die Verantwortung für die eigene Arbeit selbst zu übernehmen. Ausserdem möchte ich mich auch nicht in Abhängigkeit von anderen Personen begeben. Wenn man seine eigene Galerie führt gibt es natürlich Vor- und Nachteile. Der Nachteil ist, man muss Öffnungszeiten einhalten und kann daher auch nicht wie andere Künstler mit seinen Arbeiten herumtingeln. Man ist ständig kreativ gefordert, denn das Publikum möchte natürlich immer neue Werke sehen. Ausserdem muss man die aufwendige Vorbereitungs- und Präsentationsarbeit selbst erledigen. Der Vorteil ist dass man regelmässig eine Ausstellung hat und dadurch die nötige Kontinuität besitzt, die wichtig ist um auf den Kunstmarkt Fuss zu fassen. H1: Prince, Sie sind hier seit Jahren als Galeriehund tätig. Wie hält man das aus, mit zwei Künstlern unter einem Dach ? Prince: Wuff, waff, grrr... (es ist nicht leicht...) MS: Zum Schluss eine Gegenfrage, wie kommt man als Roboter dazu, Künstler zu interviewen ? H1: Nun, mein User hat mich vor Jahren, als er in eine andere Stadt zog, einfach hier zurückgelassen. So musste ich darüber nachdenken was aus mir werden soll und ich habe mich entschlossen, Journalist zu werden. Dies ist mein erstes Interview und soll der Anfang einer grossen Karriere sein. Ich danke Ihnen für das Gespräch. Das Interview führte "HERO I" , ein Heathkit Zenith ETW-18 Roboter. |
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